Donnerstag, 17. März 2011

Birdemic - Shock and Terror: Ornithologisch großes Kino

Filmplakat: reduzierter Realismus

Der geneigte Cineast kennt dieses Gefühl: bereits beim Vorspann erahnt man etwas Unglaubliches, Bildgewaltiges, Bedeutungsvolles - manche Regisseure schreiben eben Filmgeschichte einfach aus dem Handgelenk. Stephen Nguyen ist mit Birdemic (2008) soetwas gelungen. Quasi in tiefer Verbeugung vor Alfred "The Bomb in the Desk" Hitchcock mit gleichzeitig drohendem Öko-Birkenstock strickt er in dreifaltiger Personalunion (Produzent, Drehbuchautor und Regisseur) aus dem Basisplot "Birds" eine völlig neue Filmerfahrung. Aber der Reihe nach, denn der enthusiasmierte Schreiber dieser Zeilen kann seine innere Ergriffenheit und Begeisterung kaum im Vogelkäfig halten.

Der immense Vorteil einer Personalunion ist jener, daß man sich selbst nicht dreinreden kann. Ausgenommen freilich, man verfügt über eine gespaltene Persönlichkeit oder ist von Dämonen besessen. Und Nguyen, ein Koreaner in Amerika, hat sich wahrlich nicht dreinreden lassen.

Die schnell gestrickte Pulloverhandlung: Der junge, erfolgreiche Rod, dargestellt von Alan Bagh, ist seines Zeichens Software-Verkäufer in Moon Bay. Moon Bay ist übrigens jener Ort, wo Stephen Nguyen gerne Urlaub macht. Eigentlich war besagter Rod Software-Programmierer, hat aber seine wahre Destination erkannt hat: Marketing und Sales ("Can I place the deal now?"). Es tut nichts zur Sache, daß er wenig später im Film seinem Love-Interest erklärt, er sei schüchtern. Schüchterner Software-Salesman. Aja.

Hot Rod trifft also beim Morgenkaffee im Coffeeshop (hier bekommt man, ganz fünf Hauben, vom Personal den Tisch noch wirklich zugeteilt!) seine Jugendfreundin, gemeinsamer Englischkurs, sie verstehen, Nathalie (Whitney Moore), sie tauschen nach einem knisternden Gespräch - Visitkarten. Der einzige Film der mir jetzt noch mit Visitkarten einfällt, ist "American Psycho", und in dem sind auch einige Vögel. Vielleicht eine Reminiszenz? Egal. Nach allerlei Chartaktereinführung und ein-einhalb Dates machen sie Liebe im Motel und als sie am nächsten Morgen die müden Lider aufschlagen, geht die ornithologische Post ab! O.K., es sindnun 40 Minuten Film vergangen, aber das Warten hat sich gelohnt.

Bereits beim ersten Augenaufschlag kreischen wildgewordene Vögel in merkwürig geometrischer Formation vor dem Fenster und attackieren alles, was sich bewegt.Wobei die Attacken in merkwürdig einstudierter Form von sich gehen...
The Day of the ...GIFs
...kein Wunder, denn die Vögel, allen voran böse Adler, bewegen sich in etwa fünf bis sechs Stakkato-artigen Bewegungen, und hätten wir im EDV-Unterreicht aufgepasst, würden wir laut aus uns herausschreien: "Das sind ja animierte GIFs!" Ja, sind sie, sehr gut, setzen. Aber, mein Freund, aber es sind Killer-GIFs, denn einmal vorbeigeflogen, ist schon die Kehle aufgeschlitzt.
Während im Asia-Cinema schon bei kleinsten Wunden das Blut gleichsam herausspritzt, bleibt bei Nguyen selbst ein glatter Gurgel-Durchschnitt als roter Strich blutleer. Antithese? Oder haben die Einwohner von Moon Bay einfach durch die Seelage einen niedrigen Blutdruck? Die Antwort ist irgendwo da draußen. Irgendwann hören die Vögel mit ihrem hyterischen "Krah-krah" auf und Rod, der alte Vogelkenner, meint: "Maybe they are tired." Bingo.

Amsel, Drossel, Fink und Meise und die ganze Vogelsch...
Es folgt eine Flucht diverser Protagonisten, hässlichen Kindern und allerlei Logik-Fehlern, die aber vielleicht eine Metapher auf den sorglosen Umgang mit der Umwelt sind. Die Vögel greifen immer dann an, wenn die Handkamera gerade Pause macht und verblüffen jedesmal mit ihrer Choreographie. Da rockt die ganze Federschar.

Universum: Die Zitteradler von Moon Bay
Krise ist angesagt: nachdem sich die fliehenden Fliehenden, bestückt mit einem Waffenarsenal, das "Call of Duty" oder "Modern Warfare" die Arschkarte zeigt und bei dem nie (okay, fast nie) die Munition ausgeht, mit Wasser eindecken und eine Gör die Süssigkeiten einer leerstehenden Tankstelle plündert, ist das wertvolle Nass auch schon wieder alle (was haben sie damit gemacht? Schnell noch den Schrebergarten versorgt?), also ab in den Wald, Wasser ausfassen.

Das morphogenetische Feld der Vögel ist übrigens schwer auf Drogen, denn wann sie angreifen entbehrt jedweder Gruppendynamik oder Sinnhaftigkeit, aber das ist eine der Überraschungsoptionen des Films.

Mein Bruder der Baum
Zurück in den Wald steht ER plötzlich vor den überlebenden Überlebenden, er, der "Treehugger". Der Retter des Waldes sieht aus wie Christopher Walken nach einer 30-tägigen Fastenkur bei den Benediktinern mit Winnetou-Perücke oder (wie mein lieber Freund Wilfried meinte) Woody Harrelson bei einem verkorkstem Casting für diesen Roland-Emmerich-Film mit der Jahreszahl. Nein, "1900" ist von Bertolucci.

Treehugger erklärt verklärt, daß er den Wald liebt und beschützt, aber beim Global Warming leider scheitert. Klar, er kann dem ganzen Gestrüpp keine Polaroid-Sonnenbrille aufsetzen. Verständnisvoll und nachdenklich verlassen Rod, Nathalie und zwei hässliche Kinder diese Episode um dem Finale entgegenzusteuern... die Vögel fliegen -in einer statischen Stoik- auf das Meer hinaus, und haben ihre wahre Destination erkannt - Seeadler.

Eine Familie ausgerottet: Wir hatten solchen (Vogel-)Schiss
Mehr will ich hier nicht verraten und schließe mein kleines Nähkästchen, liebe Kinder. Nur soviel: auch wenn ich viel, viel erzählt habe über Birdemic, lohnt sich ein Ansehen, wobei, nun, auf DVD genügt, die Anschaffung der optionalen Blu-Ray ist hier vielleicht nicht verpflichtend.
Aber macht schnell, liebe Kinder, denn Birdemic 2 ist im Anmarsch... und der kommt in 3D!

So, und jetzt Licht aus und Gute Nacht!

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